Interview
Franziska Herren kämpft weiter: Wie eine Kuh zum Auslöser ihrer politischen Karriere für sauberes Trinkwasser wurde
2021 scheiterte sie mit der Trinkwasserinitiative, nun nimmt die wohl berühmteste Wasserschützerin des Landes einen zweiten Anlauf: Anlässlich des Weltwassertags am 22. März verrät Franziska Herren, warum sie sich dem Kampf für sauberes Wasser verschrieben hat.
Franziska Herren, Sie wurden bereits als «Jeanne d’Arc des Wassers» bezeichnet. Sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen sich und der französischen Widerstandskämpferin im Hundertjährigen Krieg?
Ich glaube, eine klare Vision zu haben und hartnäckig zu sein, ist eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Bei mir ist es das Wasser – die Grundlage unseres Lebens. Seinen Schutz sehe ich als Lebensaufgabe.
Weltweit sind fast ein Viertel der bekannten Süsswassertierarten gefährdet, enthüllte im Januar eine internationale Studie unter Leitung der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) im Fachblatt «Nature». Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie solche Schlagzeilen lesen?
Grosse Besorgnis. Ich glaube, viele Leute denken, es betreffe sie nicht, wenn kleine Lebewesen verenden. Doch es betrifft uns alle existentiell, wenn wir diese Ökosysteme kaputtmachen. Vergiften wir Kleinstlebewesen wie Regenwürmer oder Bienen, können wir auch keine Lebensmittel mehr produzieren. Die ganze Ernährungs- und Trinkwassersicherheit hängt an einem gesunden Ökosystem. Millionen kleiner Lebewesen im und über dem Boden arbeiten für uns, damit wir uns ernähren können. Zerstören wir sie, zerstören wir auch unseren Wohlstand. Denn Wohlstand beruht immer auf genügend Wasser und einem funktionierenden Ökosystem, auf gesunden Böden und hoher Biodiversität.
Am 22. März ist Welttag des Wassers. Welche Bedeutung messen Sie diesem Tag bei?
Das ist ein Tag, an dem darauf aufmerksam gemacht wird, wie wichtig Wasser ist. Das diesjährige Motto des Welttags ist die Erhaltung der Gletscher. Diese bilden ein enormes Wasserreservoir. Schmelzen sie komplett, stehen gerade wir in der Schweiz vor grossen Herausforderungen. Auch weil unsere Bevölkerung weiter wächst, müssen wir uns die Frage stellen, wie künftige Generationen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden sollen. Daher ist Gewässerschutz essenziell.
Zur Person
Franziska Herren ist selbstständige Unternehmerin im Bereich von Umweltprojekten und Geschäftsführerin der Stiftung Visempio. Sie amtiert als Präsidentin des Vereins «Sauberes Trinkwasser für alle» und ist Mit-Initiantin der Initiative «Für eine sichere Ernährung». Die Bernerin lebt in Wiedlisbach und ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.
Stichwort Gewässerschutz: Recherchen der SRF-Sendung «Rundschau» vom 6. Februar 2025 zeigten, dass das UVEK unter der Führung von Bundesrat Albert Rösti aufgrund einer Empfehlung des Schweizer Bauernverbands (SBV) keine Grenzwerte für die Pestizide Deltamethrin, Flufenacet, Foramsulfuron und Lambda-Cyhalothrin einführen will. Der Vorwurf der Umgehung des Gewässerschutzgesetzes wurde laut. Wie sehen Sie das?
Das ist sehr gravierend, weil es sich um hochtoxische Pestizide handelt. Solche Mittel sind nicht mehr zu verantworten – ob mit oder ohne Grenzwerte. Der Entscheid von Herrn Rösti ist verantwortungslos. Irgendwann landen Pestizide im Trinkwasser und auf unseren Tellern. Doch die Schweiz handelt nicht und wartet auf Verbote der EU.
Sie sind Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle» und – unter anderem – Initiantin der Trinkwasserinitiative, die im Juni 2021 abgelehnt wurde. Weshalb haben Sie sich dem Kampf für sauberes Wasser verschrieben? Was war der Auslöser?
Einerseits wurde ich sehr ökologisch erzogen. Schon meine Mutter brachte mir bei, dass Wasser eines unserer wertvollsten Güter ist und lehrte mich, es sauber zu halten. Bio-Produkte gehörten genauso zu meiner Kindheit wie «Held»-Waschmittel oder «Weleda»-Kosmetik-Produkte. Doch der eigentliche Auslöser kam relativ spät. 2009 begegnete ich einer jungen Mutterkuh, der man das Kalb weggenommen hatte und die nach ihm rief. Das bewegte mich. Ich begann zu recherchieren und merkte, dass ich mein Leben zwar nach Bio richten und wenig tierische Produkte essen kann, meine Steuergelder aber trotzdem in eine von Pestiziden, Importfutter und Antibiotika abhängige Lebensmittelproduktion fliessen. Ich erkannte, dass ich beim Essen Bio wählen kann, doch beim Wasser nicht. Wenn ich als Bürgerin auf zutiefst alarmierende Umstände aufmerksam werde, kann ich dank unserer direkten Demokratie handeln und Verantwortung übernehmen. Also begann meine politische Karriere für sauberes Trinkwasser eigentlich wegen einer Kuh.
Die Abstimmung zur Trinkwasserinitiative haben Sie 2021 verloren. Nun wollen Sie es – trotz eines harten Abstimmungskampfs und Angriffen gegen Ihre Person – nochmals wissen: Im August haben Sie die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser» eingereicht. Wie soll diese Initiative unser Wasser schützen?
Indem wir Trinkwasser unter Ernährungssicherheit in der Verfassung verankern. Dafür muss nebst genügend Lebensmitteln auch sauberes Trinkwasser sichergestellt werden. Indem wir Wasser verschmutzen, torpedieren wir unsere Ernährungssicherheit. Wir haben kein Eidgenössisches Wassermanagement – was für Energie und Verkehr selbstverständlich ist. Die Schweiz weiss weder, wie viel Wasser sie hat, noch wie viel sie verbraucht. Das ist fahrlässig. Schon seit dem Hitzesommer 2003 wissen wir, wie schnell Wasser fehlen kann.
Initiative «Für eine sichere Ernährung»
Im August 2024 hat der Verein «Sauberes Wasser für alle» bei der Bundeskanzlei die eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung» eingereicht. Diese verlangt, dass der Bund einen Selbstversorgungsgrad von 50 bis zu 70 Prozent anstrebt. Zudem soll die pflanzliche Produktion vermehrt gefördert werden. Die Initiative beinhaltet eine Reihe weiterer Ziele und Massnahmen, unter anderem:
• Sicherstellung von Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit für sichere Erträge und um den Pestizideinsatz zu reduzieren
• Förderung nachhaltiger Anbausysteme (z. B. Mischkulturen, Agroforst)
• Kein Überschreiten mehr von Höchstwerten für Dünger
• Förderung von natürlichem Pflanz- und Saatgut
• Verringerung des Wasserverbrauchs
• Vermeiden von Food Waste
Der Schweizer Bauernverband (SBV) nennt Ihren erneuten Anlauf «Vegi-Initiative» und «Zwängerei». Im Rahmen der angekündigten Agrarpolitik 2030 seien weitgehende Änderungen der Rahmenbedingungen für eine noch nachhaltigere Landwirtschaft in Planung oder bereits in Umsetzung. Ihre Initiative würde die Steuerzahlenden und die Psyche der Bauernfamilien belasten. Warum reichen Ihnen die Massnahmen des SBV nicht?
Anstelle der Trinkwasserinitiative versprach man der Bevölkerung eine Stickstoffreduktion und Biodiversitäts-Förderflächen, um den Pestizideinsatz zu reduzieren. Das wurde alles zurückgenommen. Wenn ich mir die Agrarpolitik der letzten 30 Jahre ansehe, erreicht sie ihre eigenen Umwelt- und Klimaziele nicht. Die emotionalen Reaktionen auf die neuen Ernährungsempfehlungen des Bundes, die nun halt mal wichtig sind, zeigen, dass die Interessen der Industrien – auch gerade der Fleischindustrie – dahinterstecken.
Wenn Sie mal eine Pause von Ihren politischen Aktivitäten benötigen: Haben Sie einen Lieblingsort im oder am Wasser?
Das Freibad Marzili in Bern mag ich besonders. Allgemein schwimme ich gerne in der Aare, wie auch in jedem See. Auch Wangen an der Aare ist ein spezieller Ort für mich, denn ich wohne ganz in der Nähe. Dort eine Runde Schwimmen zu gehen, bedeutet für mich Lebensqualität.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren