Gift
Bienenkiller aus dem Gartencenter: Pestizide in Zierpflanzen
Gärtnerinnen und Gärtner, denen Insekten am Herzen liegen, greifen im Gartencenter zu den als bienenfreundlich deklarierten Pflanzen. Allerdings können sich auf den Blumen und Stauden Pestizide befinden, die einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der summenden Bestäuber haben.
Untersuchungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland zeichnen kein gutes Bild. Seit 2021 testet die Umwelt- und Naturschutzorganisation bienenfreundliche Zierpflanzen auf Pestizide. Wie die Jahre zuvor wies auch 2024 der Grossteil aller untersuchten Proben aus deutschen Gartencentern und Baumärkten teils bedenkliche Rückstände auf. Ganze 96 Prozent der 55 getesteten Pflanzen waren mit verschiedenen Pestiziden belastet. Ähnliche Untersuchungen in Österreich fielen vergleichbar aus. Fraglich ist also, ob die Situation in Schweizer Gartencentern ähnlich aussehen könnte.
Pestizide dienen dem Zweck, Pflanzen vor Schädlingen, Krankheiten oder unerwünschten Beikräutern zu schützen. Zwar dürfen die Wirkstoffe in der Schweiz nur in Verkehr gebracht werden, sofern sie vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zugelassen wurden. Allerdings können einige der in Gartencentern und Baumärkten angebotenen Samen und Jungpflanzen aus Produktionsländern ausserhalb Europas stammen. Dort können laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Pestizide eingesetzt werden, die wegen ihrer Gefährlichkeit für Menschen und Umwelt in Europa nicht mehr erlaubt sind.
Gesetzliche Vorgaben zur Kontrolle von Pestizidrückständen bei der Einfuhr von Zierpflanzen in die Schweiz gibt es jedoch kaum, wie Alexander Daetwyler, Produktmanager für Baumschulpflanzen der Wyss Samen und Pflanzen AG, weiss. «Die wenigsten Anbieter lassen zudem ihre Pflanzen im Labor analysieren.» Selbst Gewächse aus biologischem Anbau können Pestizide aufweisen. Zwar sind Biopestizide wie beispielsweise Kupfer natürlichen Ursprungs, doch auch sie können schädlich für Tiere und Umwelt sein, wenn sie in den Boden und in Gewässer gelangen. «Allerdings wirken biologische Pflanzenschutzmittel nicht systemisch», wie Alexander Daetwyler erklärt.
Systemische Pestizide werden vom Gewebe der Pflanze aufgenommen und in alle Teile von der Wurzel bis zur Blüte geleitet, wodurch das gesamte Gewächs für alle Insekten giftig wird. Ein nicht systemisches Frass- oder Kontaktgift, wie es in der biologischen Produktion verwendet wird, tötet dagegen nur die Insekten, die unmittelbar von den behandelten Pflanzenteilen fressen oder direkt mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen. Der Pflanzenexperte führt aus: «Die grösste Gefahr für Bienen besteht während der Behandlung und daher sollte der Behandlungszeitpunkt nicht während des Bienenflugs stattfinden. Auch werden die heutigen Pflanzenschutzmittel relativ schnell abgebaut.»
Zierpflanzen zu kaufen, die nach biologischen Richtlinien produziert werden, kann also sinnvoll sein.
«Die grösste Gefahr für Bienen besteht während der Behandlung.»
Alexander Daetwyler, Produktmanager für Baumschulpflanzen, Wyss Samen und Pflanzen AG
Verlassen sollten sich Gärtnerinnen und Gärtner dagegen nicht auf die Labels, die oftmals in den Töpfen von Pflanzen stecken und die mit Begriffen wie «Bienenweide», «bienenfreundlich» oder Ähnlichem werben. Diese bieten keine Sicherheit dafür, dass die Ware frei von Pestiziden ist. «Die bienenfreundlichen Labels sind nicht gesetzlich geregelt und auch nicht geschützt», sagt Alexander Daetwyler. Jedes Gartencenter kann folglich seine eigenen Labels herstellen. Eine Garantie, dass die im Gartencenter gekaufte Pflanze, selbst wenn sie als bienenfreundlich deklariert ist, frei von bienenschädlichen Pestiziden ist, gibt es also nicht.
Wichtig ist es laut Daetwyler, bei seiner Gärtnerei des Vertrauens einzukaufen. «Der Grossteil, der im Gartenhaus Wyss angebotenen insektenfreundlichen Pflanzen, wird in der Schweiz unter Bio-Richtlinien produziert. Wir haben Vertrauen in unseren Hersteller und darauf, dass hochgiftige Mittel in der Schweiz nicht mehr eingesetzt werden dürfen.» Zudem sei es wichtig, den Preis nicht über die Qualität zu stellen, wie der Pflanzenexperte betont. Denn: «Je günstiger das Produkt ist, umso weniger sicher kann man sich als Kunde sein, dass die Pflanze unter guten Bedingungen produziert wurde.»
Vergiftungen sind eine Tatsache
Dass durch Pestizide verursachte Vergiftungen von Bienen vorkommen, weiss Marianne Tschuy von Apiservice, dem Schweizer Bienengesundheitsdienst. «Bei Honigbienenvölkern weisen zitternde, benommene, flugunfähige, sich im Kreis drehende Bienen auf eine eventuelle akute Vergiftung hin.» Auch viele tote Tiere, die auf dem Boden vor den Bienenkästen, auf den Flugbrettern oder im Inneren der Kästen liegen, können ein Hinweis auf eine Vergiftung sein. «Nur eine Laboranalyse kann hingegen eine Vergiftung bestätigen», erklärt Tschuy.
Bezüglich Wildbienen hat der Bienengesundheitsdienst wenig Erfahrung. «Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Auswirkungen von Vergiftungen durch Pestizide auf Wildbienen grösser sind als auf Honigbienen.» Der Grund dafür besteht laut der Expertin in Bienengesundheit darin, dass Wildbienen mit Ausnahme der Hummeln solitär lebend sind. Stirbt das brutaufziehende Weibchen infolge Vergiftung ab, hat es keine Nachfolger. «Honigbienenvölker dagegen verfügen über viele Tausende Individuen», erzählt Marianne Tschuy. «Deren Lebensdauer ist im Sommer auf wenige Wochen beschränkt. Es kommt deshalb zu einer ständigen Erneuerung des Bienenvolks. Dadurch kann sich ein Volk von einer akuten Vergiftung durchaus erholen.»
Welchen Einfluss Pestizide in Zierpflanzen auf die Insekten haben, ist dennoch kaum bekannt. Sicher ist, dass Risiken bei einer grossflächigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, wie dies in der Landwirtschaft der Fall ist, höher sind. Trotzdem ist nicht auszuschliessen, dass Pestizide im eigenen Garten zu Vergiftungen führen können. «Daher ist es unabdingbar, dass sich auch Privatanwender an die Anwendungsvorschriften halten und wenn immer möglich auf einen Pestizideinsatz verzichten», führt Marianne Tschuy aus.
Folglich lohnt es sich, beim Kauf von bienenfreundlichen Pflanzen im Gartencenter darauf zu achten, dass die Pflanzen regional und im besten Fall biologisch produziert wurden, sowie bei der Schädlings- und Unkrautbekämpfung im Garten auf chemiefreie Alternativen umzusatteln.
Tipps für den bienenfreundlichen Garten
- Biologisch und / oder regional produzierte Pflanzen kaufen
- Für Bienen attraktive einheimische Blumen, Sträucher und Bäume auf Balkon oder in den Garten pflanzen
- Ein ganzjähriges vielfältiges Pollen- und Nektarangebot zur Verfügung stellen
- Ein naturnaher Garten mit verwilderten Ecken und verschiedenen Strukturen schafft Nistmöglichkeiten für Wildbienen
- Mehrjährige Stauden blühen über mehrere Jahre und müssen nicht jedes Jahr neu gekauft werden
- Möglichst keine Pflanzenschutzmittel und Biozide im Garten anwenden, sondern Alternativen ohne Chemie wählen
- Auf bienen.ch, der Website der Schweizer Bienenorganisationen, finden sich viele wertvolle Informationen zu Honig- und Wildbienen sowie deren Förderung
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