Die Begrüssung ist lautstark und nicht sehr ortstypisch. Übermütig rennt eine Meute Huskies am Gitter ihres grossen Auslaufs entlang. Die Schlittenhunde seien ihr grosses Hobby, erklärt Brigitte Favre. Doch ihre Leidenschaft gilt noch anderen, etwas grösseren Vierbeinern – den Pferden. Von denen gibt es auf dem Biohof Sous la Neuvevie bei Saignelégier, den die aufgestellte gelernte Bereiterin und Pferdewissenschaftlerin gemeinsam mit Thierry Froidevaux nun seit zehn Jahren gepachtet hat, an die50 Stück.

Hauptsächlich sind es Freiberger und einige wenige Einsiedler, viele Jungpferde, aber auch Zuchthengste. Die Zucht und Aufzucht von Freibergern, das ist das Metier, dem sich die gebürtige Seeländerin hier oben in den Freibergen verschrieben hat und in das sie auf Hofführungen einen Einblick gewährt. Brigitte Favre und Thierry Froidevaux konnten sich in der Freiberger-Szene einen Namen machen, denn zwei der prachtvollsten Freiberger-Zuchthengste sind hier zu Hause: Hydromel, der seit 50 Jahren erste weisse gekörte Freiberger-Hengst, und die schwarze Perle Hayden.

[IMG 2]

Der Hof gehört seit 1880 der Pferdezuchtgenossenschaft Burgdorf und wurde damals wie heute zur Viehsömmerung und als Hengststation genutzt. Auch eine Herde von rund 25 Mutterkühen wird hier gehalten. Rätisches Grauvieh, das teilweise mit Vogesenrindern gekreuzt wurde. «Bei den Rindern wie den Pferden ist uns wichtig, dass die Tiere aus der Schweiz stammen und somit optimal an unsere Bedingungen angepasst sind», sagt die Betriebsleiterin.

Eine Landschaft für Pferde gemacht

Freiberger-Stuten aus allen Ecken der Schweiz werden zum Decken hierher gebracht. «Eine natürliche Pferdehaltung und -zucht liegt uns am Herzen, das ist auch, wofür das robuste Freiberger Pferd steht», so Brigitte Favre. Anders als bei vielen Pferderassen, bei denen die künstliche Besamung die Regel ist, werden rund90 Prozent der Freiberger-Stuten im Natursprung gedeckt. Die Jungpferde wachsen in einem Herden-verband mit viel Auslauf auf den weiten Wytweiden auf. Diese von einzelnen Fichten durchsetzten, leicht hügligen Weiden sind typisch für den Jura und bieten Pferden optimale Bedingungen, weiss die Pferdefachfrau. «Die Tannen bieten natürlichen Schatten und dank dem unebenen, aber doch nicht zu steilen Untergrundwerden die Pferde besonders trittsicher.»

Diese Trittsicherheit und ihr unkompliziertes und ausgeglichenes Wesen stellen die auf Sous la Neuvevie gezogenen Freiberger auch unter dem Sattel und vor der Kutsche unter Beweis. Denn Brigitte Favre reitet und fährt die Hengste auch während der Zuchtsaison und bereitet die Nachwuchspferde auf die Zuchtanerkennungsprüfung, den sogenannten Feldtest, vor. «Uns ist wichtig, vielseitige und verlässliche Freizeitpartner auszubilden», so Brigitte Favre.

Das macht Lust, sich selbst aufs Pferd zu schwingen, um die wunderschöne Natur bei einem ausgedehnten Ausritt zu geniessen. Der ausgeglichene Charakter dieser Pferde und die fachkundigen Anweisungen von Lise Rais machen es auch absoluten Reitanfängern und Kindern möglich, die Freiberge hoch zu Pferd zu erkunden. «Mitten durch ausgedehnte Weiden streifen, auf denen Kühe gemeinsam mit Pferden grasen, und dabei einem ausgedehnten, bestens unterhaltenen Reitwegnetz folgen zu können, das gibt es ansonst nirgends in der Schweiz.» Da ist sich die fröhliche Lise sicher, die auf dem Hof Les Cufattes bei Le Bémont aufgewachsen ist. Nach einem Abstecher in die Deutschschweiz fürs Agronomiestudium an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) ist die Pferdenärrin deshalb auch ziemlich rasch wieder auf den elterlichen Hof zurückgekehrt, dessen Leitung sie mittlerweile übernommen hat. Neben Milchkühen züchtet die Familie Rais seit 40 Jahren Freiberger. Rund 30 Pferde leben auf dem Jurahof mit dem typisch ausladenden weissgetünchten Haupthaus, das mehreren Generationen Platz bietet. Von Lise werden sie für Ausritte, Kutschenfahrten oder als Verkaufspferde ausgebildet.

[IMG 3]

Und tatsächlich ist es ganz entspannt, sich auf dem breiten Rücken von Fuchsstute Emma die leichte Anhöhe hinauftragen zu lassen. Dabei bleibt genügend Zeit, die mächtigen Tannen hochzuschauen, die diese Landschaft so prägen und von denen Lise erzählt, sie seien leider momentan stark vom Borkenkäfer angegriffen. Und sich über die Steinmauern kundig zu machen, die mal schön erhalten, mal von der Witterung gezeichnet, verschiedene Felder voneinander abtrennen. «Diese Trockenstein-mauern, ein Kulturgut der Freiberge, kennzeichnen die Grenze zwischen privatem Land und den kommunalen Weiden.» Auch diese Gemeindeweiden sind eine Spezialität des Jura, denn hier können verschiedene Besitzer ihre Rinder und Pferde den Sommer über gegen Entrichten einer Taxe gemeinsam weiden lassen.

Oben auf der Krete angekommen, zeigt Emma, was in ihr steckt. Wer gemeint hat, der Ausritt werde etwas gar gemütlich, der hat sich getäuscht. Beim Galopp trumpft die rundliche Stute auf. Jetzt flitzt die Landschaft an einem vorbei, ein frischer Wind weht um die Nase und ein Gefühl von Freiheit steigt auf, wie es eben nur auf dem Pferderücken erlebt werden kann. «Manchmal inszenieren wir als Cowboys verkleidet mit unseren Pferden einen Zug- oder Kutschenüberfall, ein wahres Gaudi für uns Reiter und die Touristen.» Da lasse es sich Emma jeweils nicht nehmen, an vorderster Front zu galoppieren, erzählt Lise Rais.

Zurückversetzt in alte Zeiten

Etwas weniger rasant sind Nesquik und Eros unterwegs. Die beiden braunen Freiberger-Wallache haben auch deutlich mehr Gewicht zu transportieren. Denn sie ziehen den Planwagen, den Laurent Jullierat lenkt. Der bärtige Jurassier sucht eigentlich aufgrund seines Alters einen Nachfolger für seinen Kutschbetrieb mit dem klingenden Namen «Chars attelés Obelix». «Der Aufwand für eine Fahrt ist enorm, die Pferde müssen ja jeweils geputzt, ein- und wieder ausgeschirrt werden und den Wagen gilt es auch in Schuss zu halten.» Dafür ist dann das Erlebnis Entspannung pur – mindestens für die Gäste. Schön die Schlaglöcher umzirkelnd holpert die Kutsche gemächlich über einsame Wald- und Wiesenwege. Im Wald hüpft ein Eichhörnchen über den Weg und auf den Weiden kommen viele neugierige Pferdekumpanen angetrabt, um dieses altmodische Gefährt von Nahem zu mustern. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Nur in den Weilern, die wir durchfahren, weht ab und an ein freundliches«Salut!» zu uns herüber, Juillerat und sein Gespann sind weitherum bekannt.

[IMG 4]

Auf dem Weg zum Tour de Moron, der auf stattlichen 1336 Metern Höhe liegt, kommen die beiden Freiberger ganz schön ins Schnaufen. Der Turm, welcher eine grossartige Rundumsicht bis zu den Alpen und sogar zu den Vogesen bietet, wurde von Stararchitekt Mario Botta entworfen und 2004 von Maurer- und Strassenbaulehrlingen fertiggestellt. «Dabei sind wir heute mit nur drei Fahrgästen leicht unterwegs, richtig schaffen müssen die Zugpferde, wenn ich die Fonduekutsche angespannt habe», erzählt der erfahrene Fuhrmann. Bei der Fahrt hinunter nach Bellelay laufen dann die Bremsen heiss, dafür können die Pferde entspannen.So mögen Nesquik und Eros in neuer Frische die Allee entlang zu traben, die zum historischen Kloster und auch den Stallungen der beiden Pferde führt.

Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt beim Anblick der wuchtigen Klostergebäude, die sich hier im abgeschiedenen Tal unvermittelt gegen den Himmel recken. Die Abtei Bellelay hat eine äusserst bewegte Geschichte hinter sich. 1140 durch die Mönche des Prämonstratenser Ordens gegründet, wurden die Gebäude später als Glashütte und Uhrenfabrik umgenutzt und im 19. Jahrhundert etablierte der Kanton Bern sogar eine psychiatrische Klinik hier. Auch diese ist seit etwas mehr als einem Jahr Geschichte. Nun wird das Kloster als Unterkunft für Geflüchtete und auch für kulturelle Aktivitäten genutzt.

Die hohen Mauern der auf der gegenüberliegenden Strassenseite gelegenen «Auberge de l’Ours» und des Maison de la Tête de Moine sind nicht minder massiv und altehrwürdig. Hinter ihnen verbergen sich Köstlichkeiten. Das Hotel, welches bereits 1698 Reisende empfing, vereint heute stilvoll alte Traditionen mit modernen Einrichtungsgegenständen und einer tollen Küche. In der Schaukäserei kann man dabei zusehen, wie der Tête-de-Moine-Käse nach dem Rezept der ehemaligen Klosterbrüder hergestellt wird. Gut gestärkt kann so die Reise aus diesem Pferdeparadies zurück hinunter nach Biel hinunter angetreten werden.

 

Sehenswertes:

 

Pferdezuchtbetrieb Sous la Neuvevie

Führungen durch den Biohof bei Saignelégier, bekannt für die Zucht und Aufzucht von Freiberger Pferden, und durch weitere Freiberger-Zuchtbetriebe können auf der Website des Parc de Doubs gebucht werden.

Hof Familie Rais

Auf dem Hof der Familie Rais in Le Bémont können Ausritte und Kutschenfahrten gebucht werden. Es gibt zudem ein hübsches Ferienappartement.

Tous en selle

Jura Tourismus offeriert zwischen Mai und Oktober, jeweils ab zwei Übernachtungen im Jura, einen Gratisausritt.

 

[IMG 5]

Auberge de la Couronne

In diesem Gasthaus in La Theurre werden einfache und sehr schmackhafte Menüs serviert. Es liegt ganz in der Nähe des Étang de la Gruère, der zu einem schönen Spaziergang einlädt.

Auberge de l’Ours

In diesem Hotel vereinen sich historische Werte mit modernen Noten. Eine hervorragende Küche lockt Gäste von weit her an.

 

[IMG 6]

Maison de la Tête de Moine

Im historischen Nebengebäude des Klosters von Bellelay wird noch immer der Tête-de-Moine-Käse hergestellt. Das Museum lässt hinter die Kulisse blicken und im Shop und Bistrot kann die Spezialität natürlich verköstigt werden.

maisondelatetedemoine.ch

Kloster Bellelay

In der Klosterkirche finden Kunstausstellungen und Konzerte statt. Führungen können über den Berner Jura Tourismus gebucht werden.